Die Künsterlin im Interview . . .
Bei der Retrospektive meiner künstlerische Arbeit von 1985 - 1988 formuliert sich die Kreisform als bestimmendes Thema heraus, die sich aus der Bildabfolge der Momentaufnahmen entwickelt. Dabei wird durch die Bewegungsmalerei ein konzeptueller Ansatz herbeigeführt, der in der Suche nach der Urform mündet. So wird Malen in Denkprozesse übergeführt, steht so in Korrespondenz mit Philosophie, Naturwissenschaft und Literatur. Diese Disziplinen werden mit der Bewegungsmalerei formal und inhaltlich verbunden. Sensitive Instinkte weisen durch Bewußtwerdung zu einer Wissenschaftlichkeit, "action painting" wird zu "action-brain painting".
Der zweite Schritt ist die Veränderung des Bildformats, das konsequenterweise den Kreis beschreibt. Bei der Verkomplizierung dieser Kreisgeometrie, dem Kreis im Kreis, wird die Konstruktion des kretischen Labyrinths vorbereitet. Durch die Ableitung der Perspektive von der Renaissance werden die konzentrischen Kreise verkompliziert und in den Raum als "Kunstperspektive in der Perspektive" installiert.
Das Labyrinth von Herrmann Kern wird zur entscheidenden Grundlage, die mich zur Verbildlichung und Anwendung der Ikonographie des kretischen Labyrinths führt. Doch diese Anwendung bedingt eine Stilpluralität und wird zum Ausdruck für die Harmonisierung der Stilgattungen untereinander.
Zur Erweiterung der Ikonographie des Labyrinths werden nun Ergänzungen hinzugezogen, dabei wird das "Trojaspiel" mit den Stadtplanungen vom Barock bis zur Neuzeit verbunden. Diese Erweiterung führt das "Labyrinth" in einen größeren Kontext, eröffnet noch nicht gesehene Toleranzbreiten. Auch der Naturbezug des kretischen Labyrinths wird als Wachstumsprinzip verbildlicht, bildet so Neuergänzung.
Durch den Vergleich des kretischen Labyrinths mit einem Lexikon erschließen sich mögliche Verbindungen zur älteren Wissensakkumulation der Cheopspyramide und zum heutigen Lexikon, den Bibliotheken und den neuen Medien.
Das vorgestellte aufgeklappte Labyrinth wird zum entscheidenden Impuls für die kulturgeschichtliche Suche nach Endlosstrukturen, nach geometrischen Reihen. Die Konzentrik des kretischen Labyrinths wird dabei aufgehoben zu Gunsten von offenen Strukturen.
Das Labyrinth spielt hier eine Vermittlerrolle zwischen den klassischen bildenden Künsten und den neuen Medien. So entfaltet sich eine Harmonisierung zwischen den Kunstgattungen und kein Hegemonieanspruch. Die Integrierung von Computergrafik sucht nach Toleranz beim Kunstbetrachter, der diese "neue Malerei" in seiner Vielfalt erleben kann.
Sieglinde Bölz